Pandemie: die alte Frau Schmidt🌷

Begegne Frau Schmidt heute morgen. Sie wirkt müde. Ihre Augen sind eingefallen. Schwerfällig schiebt sie ihren Rollator die Straße entlang.

Rufe ihr ein lautes „Hallo!“ zu.

Sie hebt unsicher den Kopf. Erkennt mich. „Wie gerne würde ich Sie jetzt knuddeln!“ Ihr Kopf senkt sich wieder. „Ich Sie auch!“ erwidere ich.

Mit einem intensiven erneuten Blick zieht sie mich in ihren Bann. Schlägt sich die Hand vor den Brustkorb und sagt mit tränenerstickter Stimme: „Ich halte diese Stille kaum mehr aus. Wenn nur diese Stille nicht wäre.“

Mir kommen die Tränen im Angesicht ihrer Einsamkeit, die der Pandemie geschuldet ist. Zupfe rasch eine der letzten Tulpen aus dem Vorgarten und reiche sie ihr hinüber.

Sie setzt ihren Weg fort.

Ich weiß nicht, ob ihre Kräfte reichen werden bis zur Rückkehr in eine relative Normalität. Ob sie der sozialen Distanzierung stand halten kann. Ob wir uns wiedersehen werden zum gemeinsamen Singen und Lachen. Ich weiß es nicht.

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Pandemie: Beerdigung auf Distanz 🔕

Die erste Beerdigung in der pandemischen Zeit für mich. Anweisungen der Trauer:Familie habe ich erhalten, was gestattet ist und was nicht.

Anstatt „zusammenzustehen“ müssen wir uns vereinzeln. Es wird keine tröstende Umarmung geben. Es wird keinen Kaffee&Kuchen geben, der ins Erinnern und Erzählen fließt.

Ich weiß nicht, was für mich schlimmer ist: hinzugehen oder wegzubleiben. Es ist mir undenkbar, geliebte Menschen nicht berühren zu dürfen, um ihren Schmerz zu mildern…

Pandemie: Wege der Lockerung

Schwierig sind die Rückkehr:Schritte in die alte Normalität zu gehen.

Vergleiche es mit meditativem Gehen. Fuß um Fuß aufsetzen, abrollen, anheben. Jeder Boden:Belag hat eine andere Spannung und Textur. Wind & Wetter, Laune & Ziel spielen kräftig mit.

Schritte zu machen sieht von außen getrachtet leicht aus. Jedoch, …. gehen will gelernt sein. Hinfallen auch.

Wie ein Kind sich vom ruckeln, schieben und drücken zum krabblen, aufrichten/umfallen bis zum aufrechten Gang entwickelt. Zum rennen, hüpfen und springen. So geht der shutdown in eine „re:creation“ über. Mir gefällt der Ausdruck „put in motion“ gut, wieder in die Bewegung gehen. Vom Kontakt sprechen wir wohl erst viel später… Ich geh‘ mir mal neue Lauf:Schuhe kaufen!

Pandemie: müd‘

Manchmal reicht es mir. Alles nervt, nichts ist richtig, vieles vermisst. Will mein altes Leben zurück. Ahne, dass es das nicht mehr gibt. Und bin noch unleidlicher und müd‘.

Zitat von Roman Ducommun: „Traurig sein ist wie müde sein, müde der Hoffnung, müde des Glücks.
Aber, anders als die Müdigkeit, kannst du die Traurigkeit nicht wegschlafen.“

aus: http://www.aphorismen.de

Pandemie: die eine Welt

Einzelne Details sind es ja oft, die uns kalt erwischen, nicht die großen Zahlen und Prognosen. Mich schreckt aktuell die Welt:Karte.

Ich schaue jeden Morgen im Internet auf die Weltkarte und die aktuellen Infektionswege/Zunahmen.

Russland und Afrika sind bisher recht weiße Flächen gewesen. Wie bei Röteln entstehen nun rote Pusteln, die täglich dicker werden. Die Krankheit schreitet fort. Menschen erkranken, gesunden oder sterben.

Meine Privilegien sind medizinische Versorgung, gute Ernährung, Frühlingsarbeiten und Internetzugang/Informationen. Ich kann mir die soziale Distanzierung „leisten“ und sie herstellen.

Die sich rötende Weltkarte wird für mich immer mehr zu einem Blutrot. Sie scheint zu bluten.

Der Ab:Schied wohnt im Herzen

„Irgendwo blüht die Blume des Abschieds  und streut immerfort Blütenstaub, den wir  atmen herüber, und auch noch im  kommendsten Wind atmen wir Abschied.“ Rainer Maria Rilke

Ab:Schiede sind so unterschiedlich wie Gefühlslagen. Ich erlebte einen herzzerreißenden Abschied, der mein Herz zu brechen schien. Vermisste den feierlichen Abschied an der Universität. Manchen Ort und manchen Menschen verabschiedete ich schweren Herzens. In großen Weihnachtsfilmen spüre ich rührende Abschiede und vergieße eine kleine Träne dazu. Ein schwerer letzter Abschied bei Beerdigungen. Förmlich und kurz verabschiedet aus unbehaglichen Lebensmomenten. Der kalte Abschied im Streit, der lange im Herzen klirrt.

Heute habe ich einen besonderen Menschen aus meinem Leben verabschiedet. Es fühlt sich richtig an, der Zeitpunkt stimmt, die beiderseitige Übereinkunft ist vorhanden. Traurigkeit liegt nicht in der Luft. Eher die lebendige Freude über das, was war.

Der Abschied wohnt im Herzen. Da paßt er gut hin. Da hat er es warm.

trauer:gewöhnung

beim täglichen blick auf die weite des meeres fehlt mir mein hund. in jedem tier sehe ich sie. im entspannten retriever, der im weg liegt und döst. in der art, wie die see:hunde ins wasser springen. an der art, wie die schafe auf der deich:krone unermüdlich fressen. in der art, wie die kühe sich niederlegen. gestern habe ich das endlich verstanden. es ist keine übersteigerte verlust:reaktion. das, was ich in all diesen verschiedenen tieren „wieder“:erkenne, ist das universelle, das, was alle lebe:wesen verbindet und das, was ich in meiner liebe zu meinem hund (er-)lebte.

zum ersten mal, seit dem tod meines hundes im april, kann ich den verlust etwas besser ertragen.

takt:los

„Takt: ‘Berührung, Tastsinn’ (1. Hälfte 16. Jh.) ‘regelmäßiger, durch eine Berührung ausgelöster Schlag von Uhren’ (2. Hälfte 16. Jh.), ‘Schlag, der den Rhythmus angibt’ (Ende 16. Jh.) „

Quelle: https://www.dwds.de/wb/Takt

neuerdings gerate ich schnell aus dem takt. benötige tage um meine taktung zurückzuholen. fand es mal aufregend, aus dem takt zu geraten. neuerdings ist der eigene takt der absolut notwendige lebens:rhythmus. die beruhigende berührung, der sanfte schlag, der den takt vorgibt und dem ich ruhig folgen kann.

der alte Übersee:Koffer

der alte Übersee:Koffer

Der geräumige Über:See:Koffer, ein Geschenk meiner Großmutter Jela zierte mein Kinder- und Jugend:Zimmer. Groß genug, dass wir Kinder uns zu zweit darin verstecken konnten. Ein Spielzeug für Kinder. Später füllte meine Großmutter ihn mit meiner Aussteuer, Teller, Eierbecher und Handtücher. Mit der Aus:Steuer, ohne Koffer, zog ich unverheiratet aus. Eines Tages fragt meine Mutter an, ob ich den Übersee:Koffer noch benötige, sonst käme er endlich weg! In der studentischen Leichtigkeit des Wohnens antworte ich forsch: “ Weg damit, kann ich nicht brauchen!“

Heute, gerade heute vermisse ich diesen alten Reisekoffer. Die nie aufgeklärten Familienlegenden von Onkel Helmuts Amerika:Reise und dem Verlassen Schlesiens bleiben im Dunklen liegen. Heute, gerade heute vermisse ich meine Großmutter, meine Mutter und meinen Bruder. Säße gern mit ihnen auf dem alten Überseekoffer!

Hör:Sturz

Hör:Sturz

Nachdem mein Gehör gestürzt ist, sind alle anderen Sinne verwirrt und schlecht orientiert. Indem nichts zu hören ist, wird der Raum hinter dem Körper zu einem unangenehmen Stille:Raum. Alles, was von hinten kommt, kommt auf leisen Sohlen daher und seht „plötzlich“ vor den Augen. Die davon unangenehm überrascht werden. Sie können eben nicht nach hinten gucken. Die Nase nimmt wenig Duft auf, als wäre sie mit dem Ohren solidarisch. Es schmeckt mir nichts, weil der „Gehörlos:Eimer“, der meinen Kopf umfaßt, nur wenige Sinnes:Eindrücke durchläßt.

Die Welt und ich sind gerade schlecht verbunden, die Stille höchst unfreiwillig.